Atemcoaching bei Ängsten, Unruhe und chronischem Stress - Interview mit Saskia
Soviel vorab: Du liest hier meine Antworten auf Julianas Fragen dazu, wie meine Retrospektive auf unsere gemeinsame Atemreise aussieht und ich muss ein bisschen schmunzeln. Dass Juliana so lange darauf warten musste, ist einer von etlichen sichtbaren Effekten, die das Coaching für meinen Alltag hatte: Juliana hat gesagt, ich könne mir ruhig Zeit lassen und wenn es drei Monate dauern würde, bis es fertig ist, wäre das auch okay. Die alte Sassi hätte drüber nur verächtlich geschnaubt. Wie unhöflich wäre das denn bitte – und außerdem hat der Tag ja nicht umsonst 24 Stunden. Wer etwas will, findet Wege, wer nicht will, findet Ausflüchte. So oder ähnlich hieß lange Zeit mein Motto. Leistung, Effizienz, Zuverlässigkeit. Das waren Werte, mit denen ich von meiner Umwelt gerne in Verbindung gebracht werden wollte. Dabei hatten mir die letzten Jahre und einige Erkenntnisse über mich selbst schon deutliche Zeichen gesendet, dass das vielleicht kein so empfehlenswertes Muster ist. Daher weiß ich noch sehr genau, mit welchen Erwartungen ich in unser Coaching gestartet bin:
Drei Monate Atemcoaching liegen hinter dir: Kannst du dich noch erinnern, mit welchen Erwartungen du gestartet bist?
Ich war vor allem neugierig. Ich war schon öfter in Social-Media-Beiträgen auf Breathwork und Atemcoaching gestoßen und fand das alles suspekt. Die Personen in den Videos entsprachen oft allen gängigen Klischees mit Mandala-Batik-Shirt und Pluderhose, viel esoterischer Rhetorik und dem einen oder anderen umarmten Baum. Trotzdem hat mich das Thema irgendwie nicht losgelassen, weil mir – vermutlich mehr unbewusst als bewusst – die Kraft und Bedeutung des Atems schon irgendwie bewusst waren. Ich habe einige chronische Erkrankungen und regelmäßige Beschwerden, auch teilweise wirklich starke Schmerzen. Und habe da ganz oft intuitiv auf den Atem gesetzt. Ich erinnere mich daran, wie oft ich durch Migräne-Attacken hindurch geatmet und mich wie in Trance auf meinen Atem konzentriert habe, bis es eben vorbei war. Klappt übrigens auch für Geburten. Als ich jedenfalls auf deinen Aufruf für Interessierte bei Insta aufmerksam geworden bin, war ich sofort Feuer und Flamme. Ich wusste, dass du nichts von all den Vorurteilen, die ich bis dahin mit Breathwork-Coaches in Verbindung gebracht habe, verkörperst und dachte, wenn Juliana sich damit beschäftigt, dann muss es einen anderen, deutlich sachlicheren Zugang dazu geben. Den will ich auch kennenlernen!
Hattest du ein konkretes Anliegen, Beschwerden oder Themen?
Ja, etliche! Ich war ohnehin in einer Phase des „mal genauer Hinschauens“ und Baustellen angehen und hatte einen bunten Strauß an physischen und psychosychosomatischen Symptomen. Von Panikattacken und Erschöpfungsdepression über starke innere motorische Unruhe bis hin zu tatsächlichen Atemrhythmusstörungen, die mir das Gefühl vermittelten, ständig nicht genügend Luft zu bekommen und nicht tief genug atmen zu können. Zusammenfassend war das Gefühl, mit meinen Ressourcen nicht gut haushalten zu können, weil ich meine eigenen Grenzen oft gar nicht rechtzeitig spüre oder aufgrund ungünstiger Glaubenssätze ständig überschreite der stärkste Antrieb, ganz grundlegend etwas zu verändern.
Um welche Inhalte ist es im Coaching gegangen?
Vor allem habe ich ganz viele wertvolle Informationen zu Prozessen und Zusammenhängen in meinem Körper erhalten. Also was da eigentlich biochemisch passiert, wie ich mir die Kenntnisse dieser Zusammenhänge ganz bewusst zur Hilfe holen und auf meine speziellen Themen anwenden kann. Wir haben gemeinsam schnell heraus gefunden, dass ich zum „Überatmen“ neige, also zu schnell und zu flach atme und meinem Körper so eigentlich permanent das Gefühl gebe, im Fight- oder Flight-Modus auf das Schlimmste vorbereitet sein zu müssen. Deshalb haben wir ganz viel daran gearbeitet, wie ich mein Nervensystem bewusst zu mehr Entspannung, Loslassen und weniger schemahaften Stressreaktionen anleiten kann.
War das Ganze eher von Theorie oder Praxis geprägt – oder beides?
Ganz klar beides! Es gab bei jeder Session einen kurzen Recap der letzten Sitzung, einen Austausch darüber, wie ich in der Zeit seither zurecht gekommen bin und dann in der Regel einen knackigen kleinen Theorie-Input. Das mochte ich richtig gern, das waren wissenschaftlich fundierte Informationen, verständlich auf das Wesentliche runter gebrochen – und für mich als absoluter Kopfmensch oft die Voraussetzung, mich auf alles was danach kommt auch einlassen zu können. Ich muss oft erst kognitiv verstehen, bevor ich mich aufs intuitiv fühlen einlassen kann und das hat mir sehr dabei geholfen. Dann gab es im Anschluss daran immer einen Praxispart. Eine somatische Übung oder eine Atemtechnik, die wir gemeinsam geübt haben. Ich konnte Feedback geben, was funktioniert und was nicht. Besonders super fand ich, dass ich immer Varianten an der Hand hatte – wenn ich das Gefühl hatte, eine Übung überfordert mich, konnte ich auf eine angepasste Version zurückgreifen. Das hat es mir als sehr leistungsorientiertem Menschen viel leichter gemacht, wirklich in mich hinein zu hören und in meinem eigenen Tempo voran zu gehen. Ein reines „klappt“ oder „klappt nicht“ hätte sich wieder zu sehr nach Scheitern angefühlt und mich dazu verleitet, über meine Grenze, die ich ja eigentlich besser erspüren wollte, hinaus zu gehen.
Was würdest du einem Menschen raten, der oder die überlegt, ob ein Atem- bzw. somatisches Coaching das Richtige sein könnte?
Lass Dich drauf ein und probier’ es aus! Du hast eigentlich nichts zu verlieren, aber viel zu gewinnen. Ich bin wie gesagt ein sehr analytischer Mensch, ich neige dazu alles zu intellektualisieren. Daher war die Hemmschwelle vielleicht höher als bei jemandem, dem es leichter fällt, sich mal intuitiv auf neue Dinge einzulassen. Unabhängig davon, welcher Zugang einem leichter fällt, finde ich es auf jeden Fall super wichtig zu schauen, dass der Atemcoach mit dem man da arbeitet, selbst gut und fundiert ausgebildet ist. Es ist eben kein Placebo und hilft solange man nur dran glaubt, sondern hat echte Effekte in unterschiedliche Richtungen. Nicht jede Atempraxis hilft für jedes Problem, im Gegenteil – daher sollte der oder die Coach auf jeden Fall eine zertifizierte Ausbildung gemacht haben und wissen, was er oder sie da tut!
Welche Rolle spielt der Atem jetzt in deinem Leben – auch im Vergleich zu vorher?
Ich würde sagen, keine größere – aber eine bewusstere: wie schon eingangs angedeutet, war Atmen schon oft intuitiv meine Antwort auf Herausforderungen. Allerdings hat mich das leider nicht davor bewahrt, ungünstige Muster zu entwickeln. Mir hat im Prozess des Coachings sehr geholfen, dass Juliana immer wieder betont hat „nichts davon ist falsch oder schlecht – irgendwann war es mal aus guten Gründen die Lösung und hat Dir geholfen. Aber jetzt hilft es eher nicht mehr und deshalb dürfen wir es jetzt loslassen“. Ich mache immer noch regelmäßig Atemübungen. Nicht ganz so diszipliniert wie während der Coaching-Situation, aber mir ist diese Toolbox inzwischen einfach wahnsinnig bewusst. Wenn ich mich gestresst oder angestrengt fühle, höre und schaue ich inzwischen erst mal auf den Atem und erkenne dann oft, dass ich gerade wieder eher im alten Muster rumhänge und dann mit bewusstem Atem sehr schnell und einfach positiv gegensteuern kann. Das ist für mich ein echter Game-Changer gewesen!
Welche Atemübungen sind dir eher leicht und welche eher schwergefallen?
Wie zu erwarten, sind mir Übungen die eher mein Muster bedienen würden, leichter gefallen. Alles was eher aktivierend ist, fand ich deutlich einfacher umzusetzen, als die Übungen die eher runter fahren und entspannend wirken. Darum ist es wirklich so wichtig, dass der Coach fachlich fit ist und es im Vorfeld eine so umfassende Anamnese gibt, wie wir sie gemacht haben. Man findet online total viele Atemübungen, die für sich genommen bestimmt super sind – aber sie müssen nicht unbedingt hilfreich sein für das eigene Setting. Kleiner Tipp aus eigener Erfahrung: Wenn die Übung zuuu leicht fällt, ist es vermutlich genau nicht das, was man verstärkt machen sollte! ;-)
Wem würdest du ein Atemcoaching empfehlen?
Eigentlich jedem. Zumindest den ersten Termin. Einmal zu erfahren, wie das eigene Atemmuster aussieht, mit welchen Faktoren es zusammenhängt und auf welchen Teil des eigenen Nervensystems es so Einfluss nimmt, ist einfach total wertvoll. Ein längeres Coaching würde ich jedem empfehlen, der wie ich dazu neigt, alles immer kognitiv lösen zu wollen. Obwohl ich mich schon wirklich lange mit Achtsamkeit und Selbstfüsorge beschäftige, habe ich erst durch das Coaching begriffen, dass echte Resilienz dann entsteht, wenn man lernt die nonverbalen Sprache des eigenen Körpers zu verstehen – und ihm auch darin antworten zu können!